Der vorherrschende Konsens ist:
„Wir haben die Dinge in der Hand und alles unter Kontrolle“, „Jeder ist seines Glückes Schmied“, „Hol das Beste raus und gib alles“. Selbstoptimierung, Effektivität und Multitasking ist die Ansage. Also konkret:
Frühstücken, dabei Mails lesen und ein Telefonat annehmen. Telefon dann energisch zwischen Schulter und Kopf klemmen und Schulbrote schmieren? Telefon dann aus Versehen in den Kühlschrank zurücklegen…
Wir Menschen haben Vorstellungen von uns erschaffen, wie wir sein wollen oder sollen. Wir haben eine klare Vorstellung von: der richtig guten und pädagogisch wertvollen Mutter, dem zuverlässigen und handwerklich begabten Ehemann, der anstehenden Karriere, dem heißen und durchtrainierten Körper oder der erfolgreichen Unternehmerung. Unser „SOLL-Wert“! So soll es sein… So wollen – so sollen – wir sein. Was aber, wenn wir es nicht schaffen, unserer selbstgestrickten Rolle gerecht zu werden? Na, dann haben wir Schuld! Wir haben es doch in der Hand, richtig?
Bittere Erkenntnis: Schuld ist das zentrale Thema von Erschöpfung, Burnout und Depression…! Irgendwann geht eventuell nichts mehr…
Ein Bild zur Verdeutlichung: Nehmen wir unseren alten Kühlschrank. Die Voreinstellung für unseren Kühlschrank beträgt 4 Grad Innenraumtemperatur. So weit so gut. Übliche Raumtemperatur 22 Grad. Was macht der Kühlschrank: Er gibt alles, um die voreingestellten 4 Grad zu erreichen, gelingt das, hat der Kühlschrank keine Probleme. Es gibt keine Differenz mehr zwischen Soll-Zustand und Ist-Zustand. Jetzt stellen wir uns vor wir hätten eine Ausnahmesituation – so zu sagen, das echte Leben passiert, denn
nichts ist bekanntlich im echten Leben beständiger als der Wandel und damit AUSNAHMEN!
Tatsache ist nämlich in unserem konkreten Fall, dass der Kühlschrank seit diesem Sommer in unserer Sommerküche draußen stand und ab 11 Uhr der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt war… Der Kühlschrank arbeitete und arbeitete also um die 4 Grad zu erreichen und riskierte mit diesem übertriebenen (und für seine Bauart nicht geeigneten) Einsatz seine Existenz aufs Spiel zu setzen. Hätten wir ihn nicht umplatziert …!
Übertragen auf menschliche Wesen: Erschöpfte Menschen haben oft große Ansprüche an sich selbst, an andere und an das was sein SOLL.
Diese Ansprüche werden häufig nicht bestätigt, hält der Mensch jedoch weiter daran fest, entstehen Schuldgefühle und Unzufriedenheit. Ein Gefühl von Versagen, weil die Sollvorstellung nicht erreicht wurde. Und das Hamsterrad dreht sich schneller.
Manche setzen so ihre Beziehung, Ihre Lebenszufriedenheit – ihre Existenz – aufs Spiel… Die Lösung? Zwei Möglichkeiten:
Die erste Möglichkeit wäre, man hält fest an seinen SOLLVORSTELLUNGEN. Diese sind mit dem echten Leben vielleicht jedoch nicht oder wenig vereinbar. Mit anderen Worten man hält fest an dem Bild, dass man sich vom Leben gemacht. Und man versucht es weiter…
Diese „LÖSUNG“ ist beim genaueren Hinschauen allerdings oft das PROBLEM.
Es gibt eine zweite Möglichkeit, weniger verbreitet, aber möglicherweise in vielfältiger Weise sehr ökonomisch: Es ist die Idee, die Sollvorstellungen an den IST-Zustand runterzuregeln. Ich senke meine Erwartungen und lasse Dinge und mich selbst „gut genug sein“. Das könnte ja auch eine Option sein?
Welche Soll-Vorstellungen hab ich davon wie mein Job, meine Beziehung, meine Familie, mein Alltag zu laufen haben? Und ist das mit dem echten Leben vereinbar oder vielleicht doch eine „Alles-ist-möglich“- Lüge? Möglicherweise ist weniger ja wirklich mehr? Kannst Du heute Abend ja mal drüber nachdenken…